{"id":1386,"date":"2012-11-13T18:02:24","date_gmt":"2012-11-13T17:02:24","guid":{"rendered":"http:\/\/www.unwritten-future.org\/?p=1386"},"modified":"2013-01-23T14:06:47","modified_gmt":"2013-01-23T13:06:47","slug":"redebeitrag-von-jena","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/redebeitrag-von-jena\/","title":{"rendered":"Redebeitrag zur Demonstration \u201cHighlights, von denen keiner wissen wollte!\u201d am 04.11.2012 in Jena"},"content":{"rendered":"

Im folgenden Dokumentieren wir unseren Redebeitrag, den wir auf der Demonstration am 4. November in Jena<\/a> gehalten haben:<\/p>\n

Liebe Antifaschist_innen, das Aufdecken des organisierten rechten Terrors der sp\u00e4ten 90er und 2000er, die J\u00e4hrung der Pogrome in Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda und diversen anderen Orten der wiedervereinten Bundesrepublik, das Erstarken neonazistischer Organisationen in den unter der Sparpolitik der EU am meisten leidenden L\u00e4ndern und wahrscheinlich so vieles mehr, h\u00e4tten dazu f\u00fchren k\u00f6nnen, dass ein \u201eRuck\u201c durch die deutsche Gesellschaft geht in Form einer kritische Reflektion \u00fcber den deutschen Patriotismus. Sie h\u00e4tten reden k\u00f6nnen \u00fcber 1. das nationalsozialistische Erbe bzw. seine Verdr\u00e4ngung, die bis heute insofern erfolglos geblieben ist, dass es traumahaft immer wieder zum Vorschein tritt! Und in diesem Kontext: 2. das neue deutsche Nationalgef\u00fchl als Folge des deutschen Wiedervereinigungsprozesses und der deutschen Machtpolitik! sowie \u00fcber 3. die Urspr\u00fcnge rassistischen Denkens \u00fcberhaupt! Das Lostreten eines solchen Prozesses w\u00e4re die Gesellschaft den Opfern des rechten Terrors mindestens schuldig gewesen, obschon ihre Schuld ohnehin nicht ad\u00e4quat ausgeglichen werden kann. Doch da von gesellschaftlicher Emanzipation nach wie vor keine Rede sein kann, kam es anders bzw. passierte vielmehr \u00fcberhaupt nichts.<\/p>\n

<\/p>\n

Die deutsche Gesellschaft lieferte vielmehr eine \u00fcblich-peinliche Darbietung ihres Normalzustandes. Es erscheint so als ob sich die Geschichte, der Kreislauf der Schuldabwehr und Ignoranz, die alte Schei\u00dfe, wiederholt. In den \u00c4u\u00dferungen der Politik und der Medien im Zusammenhang mit den Untersuchungen zur Verfassungsschutz-Aff\u00e4re scheint es vielmehr an dem Versagen der Beh\u00f6rden zu liegen, die nun dieser Logik folgend mehr Kompetenzen erhalten soll. Dabei lasst uns an dieser Stelle feststellen: Es ist, erstens, der Verfassungsschutz selbst, der \u00fcber sein System der V-Leute den braunen Terror selbst mit finanziert hat. Es war zweitens auch er selbst, der die Aufkl\u00e4rung der Morde \u2013 wir erinnern uns an Aktenschreddern und Co. – ma\u00dfgeblich behindert hat. Und drittens, der Neonazismus und gesellschaftliche Rassismus ist kein ordnungspolitisches Problem, sondern ein Gesellschaftliches.<\/p>\n

Werden wir uns k\u00fcnftig nicht \u00fcber die wahren Hintergr\u00fcnde des Rassismus im Kontext einer kritischen Analyse der Gesellschaft verst\u00e4ndigen, so wird nicht nur das B\u00fcrgertum der St\u00e4dte Leipzig und Jena, sondern auch die Bev\u00f6lkerung der Bundesrepublik weiterhin immer dann \u00fcberrascht sein, wenn Neonazismus in seiner gewaltt\u00e4tigen Form auftritt. Eine Emp\u00f6rung \u00fcber anderes Auftreten des Rassismus, wie in den Handlungen der Politik \u00fcbersteigert das Empathieverm\u00f6gen des durchschnittlichen Bundesb\u00fcrgers. Es gibt nur leere Emp\u00f6rung als Reaktion auf Gewalt. Nur die wenigstens werden sich dieser erinnern, wenn das n\u00e4chste Asylbewerberheim brennt. Die Wahrnehmung zu zerst\u00fcckelt, ohne Bewusstsein des Gesamtzusammenhangs und jeder \u00dcberfall ein blo\u00dfer Einzelfall!<\/p>\n

Wir wollen an dieser Stelle zusammengefasst unserer Analyse von Rassismus anbieten:<\/p>\n

Bei der Betrachtung des Ph\u00e4nomens Rassismus in der Bundesrepublik m\u00fcssen zwei Ebenen theoretisch getrennt werden, diese Differenzierung muss Auswirkungen auf eine antirassistische Praxis haben. So gibt es auf der einen Seite die Praxis des b\u00fcrgerlichen Staates und auf der anderen den z\u00fcgellosen Mob beziehungsweise Gruppierungen, die aus ihm hervorgehen.<\/p>\n

Es ist die notwendige Aufgabe des b\u00fcrgerlichen Nationalstaates die Eigentumsverh\u00e4ltnisse, das Interesse der nationalen \u00d6konomie mit seinem Gewaltmonopol durchzusetzen. Denn vom Erfolg der nationalen \u00d6konomie h\u00e4ngt auch die Existenz des Staats ab.<\/p>\n

Er sorgt aus diesem Grund f\u00fcr eine ausreichende Zahl preiswerter Arbeitender. Deswegen handelt er nur dem Schein nach inkonsequent, wenn er in \u00f6konomischen Wachstumszeiten oder bei einer Marktnachfrage nach bestimmten Berufen, die T\u00fcren \u00f6ffnet – andererseits in schlechteren Zeit Einwanderung repressiert.<\/p>\n

Denn problematisch wird Einwanderung und Asyl in Zeiten der Rezession oder Krise, wenn die Sozialsysteme aus Sicht des Staates zu sehr strapaziert werden, wenn also des \u00dcberangebotes an der Ware Arbeitskraft die Reservearmee zu sehr anw\u00e4chst. In dieser Situation muss der Staat zu sanktionierenden Mitteln greifen, um den Zuzug derer zu stoppen, die f\u00fcr ihn nur unverwertbare Faulenzer sind, zu stoppen. Denn die Rationalit\u00e4t nationalstaatlicher Praxis liegt im Erhalt des Standorts. Er behandelt Menschen nach ihrer Verwertbarkeit unter seinen \u00f6konomischen Bedingungen. Er schiebt also auch Menschen ab, schickt sie zur\u00fcck in Kriegsgebiete, sperrt sie ein, diskriminiert sie im Namen des Volkes.<\/p>\n

Die Rechtm\u00e4\u00dfigkeit des Staates als Garant des Allgemeinwohls wird durch die gemeinsame Geschichtserz\u00e4hlung des jeweiligen Staatsvolks begr\u00fcndet. Diese Ideologie der staatlichen Gemeinschaft geh\u00f6rt notwendig zum b\u00fcrgerlichen Staat, weil er \u00fcber die sich widersprechenden \u00f6konomischen Interessen der im permanenten Konkurrenzkampf vereinzelten B\u00fcrger hinwegt\u00e4uschen muss, um das Auseinanderbrechen der Gesellschaft zu verhindern und den kapitalistischen Normalvollzug durchzusetzen. Arbeit und Leistung fordert diese notwendig in den Verh\u00e4ltnissen fu\u00dfende Ideologie, der im Nationalstaat verwalteten und in der kapitalistischen Produktion ausgebeuteten Menschen, ein.<\/p>\n

Diese gemeinschaftsstiftende Ideologie wird von den sozialen Institutionen, wie der Schule verbreitet, und von den Staatsb\u00fcrgern reproduziert, was f\u00fcr alle die sich dem Arbeits-, und Leistungszwang nicht unterordnen wollen oder k\u00f6nnen, nicht nur rechtliche sondern auch soziale Sanktion bedeutet. Durch diese Gemeinschaftsideologien erscheint die Selektion in Staatsb\u00fcrger_innen und Nichtstaatsb\u00fcrger_innen als nat\u00fcrlich und die Abgrenzung nach Au\u00dfen wird durch Lohn\/- und Arbeitsmarktpolitik auch ideologisch notwendig.<\/p>\n

Der Mob sieht in seiner zum Teil selbst vom sozialen Abstieg bedrohten und Lage Zugewanderte als Konkurrenten um die wenigen vorhandenen Jobs oder um soziale Leistungen. Er sieht sich als diesem von Kapital und Staat geschaffenen Kollektiv zugeh\u00f6rig an, so fordert er in seiner ideologischen Zurichtung mehr Anspruch auf Arbeit und Sicherheiten als Zugewanderte. Das eigene Scheitern in der kapitalistischen Konkurrenz, die allt\u00e4glichen Zw\u00e4nge von Arbeit und Leistungsgesellschaft, generieren bei einem Teil der sozialabsteigenden Deutschen mit seiner Unf\u00e4higkeit zur Kritik und Selbstkritik den Hass auf das Andere. <\/span><\/p>\n

Die andere Hautfarbe der verhassten Person, dienen dem werdenden Brandstifter_innen innerhalb des Mobs nur als Projektionsfl\u00e4che der eigenen verdr\u00e4ngten Bed\u00fcrfnisse und der verdr\u00e4ngten Unf\u00e4higkeit zur Anpassung an den verwalteten Kampf ums Dasein. Doch selbst diese Sehns\u00fcchte sind nicht mehr die eigenen, die wirklichen des verweigernden Subjekts, sondern die Widerspiegelung seiner Stellung in der kapitalistischen Gesellschaft. Es reproduziert sie unerkannt.<\/span><\/p>\n

In ihrer Irrationalit\u00e4t glauben die M\u00f6rder die Identit\u00e4t der Gemeinschaft wiederherzustellen. Ihre Ideologie hat sich gegen\u00fcber der staatlichen Praxis verselbstst\u00e4ndigt. Als Einzelner setzt er seine blo\u00dfe Meinung als das allgemeing\u00fcltige, jedoch ohne dabei den Staat zu negieren, sondern vielmehr um ihn anzurufen.<\/p>\n

So n\u00fctzt es nichts nur mit einer korrekten Sprache die verbale \u00c4u\u00dferung rassistischer Denkweise aus der \u00d6ffentlichkeit zu verbannen. Auch wird Rassismus nicht dadurch ausgel\u00f6scht, h\u00f6chstens noch unplausibler, wenn man die sogenannten “fremde Kulturen” besser kennen lernt. Das w\u00fcrde bedeuten, dass die Quelle des Rassismus darin liegt, dass die bunten V\u00f6lkchen dieser Welt sich in ihrer Verschiedenheit nicht zu sch\u00e4tzen wissen, und damit wieder eine Ungleichheit unter den Menschen konstruieren.<\/p>\n

F\u00fcr eine klare Bestimmung des Begriffes Rassismus, ist es wichtig ihn als Teil des Ganzen zu erfassen. Das bedeutet eine Absage an solche Kr\u00e4fte die Rassismus in beliebiger Weise verselbst\u00e4ndigen.<\/p>\n

Es ist notwendig die Bedingungen der von Rassismus Betroffenen in dieser Welt zu verbessern, die Opfer zu ihrem Recht in der Gesellschaft kommen zu lassen. Doch ist es diese Gesellschaft in ihrer Form die rassistisches Denken hervorbringt. Das Ziel den Kapiltalismus als Ganzes zu zerst\u00f6ren muss mitgedacht bei jeglicher \u00c4u\u00dferung von Radikalit\u00e4t.<\/p>\n

Daher muss unser Appell lauten: Nie wieder Deutschland und f\u00fcr den Kommunismus! The future is unwritten…<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Im folgenden Dokumentieren wir unseren Redebeitrag, den wir auf der Demonstration am 4. November in Jena gehalten haben: Liebe Antifaschist_innen, das Aufdecken des organisierten rechten Terrors der sp\u00e4ten 90er und 2000er, die J\u00e4hrung der Pogrome in Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda und diversen anderen Orten der wiedervereinten Bundesrepublik, das Erstarken neonazistischer Organisationen in den unter der Sparpolitik der […]<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[1,13],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/1386"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=1386"}],"version-history":[{"count":3,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/1386\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":1410,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/1386\/revisions\/1410"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=1386"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=1386"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=1386"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}