{"id":1715,"date":"2013-11-08T13:49:43","date_gmt":"2013-11-08T12:49:43","guid":{"rendered":"http:\/\/www.unwritten-future.org\/?p=1715"},"modified":"2013-12-10T12:41:39","modified_gmt":"2013-12-10T11:41:39","slug":"refugees-welcome-bundesweite-demonstration-am-16-11-in-schneeberg","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/refugees-welcome-bundesweite-demonstration-am-16-11-in-schneeberg\/","title":{"rendered":"Refugees Welcome – Bundesweite Demonstration am 16.11. in Schneeberg"},"content":{"rendered":"

Bereits zum zweiten mal in Folge zogen am 2. November 2013 tausende Menschen durch die s\u00e4chsische Stadt Schneeberg, um mit einem Fackelmarsch, den sie \u201cLichtellauf\u201d nennen, gegen ein Erstaufnahmelager f\u00fcr Asylsuchende vor den Toren der Stadt zu demonstrieren. Angemeldet und organisiert wurde der Aufmarsch, wie bereits zuvor, von lokalen NPD-Kadern, um die Nazis Stefan Hartung und Rico Illert.<\/p>\n

Wir sind entsetzt! Doch wir werden nicht tatenlos zusehen, weil wir nicht warten d\u00fcrfen, bis sich das Unfassbare wiederholt. Weil wir nicht warten d\u00fcrfen, bis die Rassist_innen ihren Worten Taten folgen lassen, und der Hass wieder in Gewalt umschl\u00e4gt. In diesem Moment ist es die verdammte Pflicht eines jeden Menschen, der auch nur einen Funken Anstand in sich tr\u00e4gt, sich an die Seite derer zu stellen, die mit der Fackel bedroht werden. Und es ist unsere Pflicht all jene mit allen Mitteln in die Schranken zu weisen, die mit verachtenswertem Hass geistige oder tats\u00e4chliche Feuer legen. In Rackwitz. In Berlin-Hellersdorf. In Greiz. Und jetzt auch in Schneeberg!<\/p>\n

 <\/p>\n

\u201cSchneeberg kommt nicht zur Ruhe\u201d: So, oder so \u00e4hnlich titelte eine s\u00e4chsische Regionalzeitung in den Tagen nach dem zweiten Schneeberger \u201cLichtellauf\u201d. \u00dcber 2.000 B\u00fcrger_innen, organisierte und unorganisierte Nazis, also doppelt so viele wie noch zwei Wochen zuvor, zogen mit Fackeln bewaffnet und unter \u201cWir sind das Volk!\u201d-Rufen durch die Stra\u00dfen der Stadt im Erzgebirge. Sie waren erneut dem Ruf der NPD gefolgt, die seit Wochen mit Hilfe der B\u00fcrgerinitiative \u201cSchneeberg wehrt sich!\u201d rassistische Hetze gegen die in der ehemaligen \u201cJ\u00e4gerkaserne\u201d untergebrachten Menschen betreibt. Diese wurden in die einstige Bundeswehrkaserne gebracht, nachdem es in der \u201cZentralen Aufnahmestelle f\u00fcr Fl\u00fcchtlinge\u201d, kurz ZASt, in Chemnitz, aufgrund unmenschlicher Bedingungen und heilloser \u00dcberf\u00fcllung, zu Auseinandersetzungen kam.
\nGest\u00f6rt wurde die Ruhe von einigen hundert Antifaschist_innen und Antirassist_innen, die sich das uns\u00e4gliche Treiben in Schneeberg nicht l\u00e4nger tatenlos anschauen wollten. Doch nicht einmal das Bed\u00fcrfnis nach Ruhe, das in St\u00e4dten wie Schneeberg besonders ausgepr\u00e4gt zu sein scheint, h\u00e4lt Teile der Bev\u00f6lkerung davon ab, sich mit den Nazis gemein zu machen. Dementsprechend ruft die B\u00fcrgerinitiative f\u00fcr den 16. November ein weiteres Mal zum Fackelmarsch auf.<\/p>\n

Die B\u00fcrgerinitiative betreibt ihre menschenfeindliche Stimmungsmache jedoch nicht allein auf Fackelm\u00e4rschen, sondern vor allem \u00fcber eine Vernetzung auf der social-media-Plattform Facebook. In der Gruppe \u201cSchneeberg wehrt sich!\u201d, die mittlerweile \u00fcber 3.000 Mitglieder z\u00e4hlt, werden rege Ger\u00fcchte und L\u00fcgen ausgetauscht, die in erschreckender Weise an die 1992 verbreiteten \u201cGeschichten\u201d um die ZASt in Rostock-Lichtenhagen erinnern. Gleichzeitig wird sich \u00fcber vermeintliche Intransparenz und angebliche Verschleierungstaktiken beschwert und man r\u00fcckt \u00fcberhaupt ganz nah zusammen gegen all jene, die die eigenen rassistischen Ressentiments nicht teilen oder ihnen gar zu widersprechen versuchen. Aus dieser Stimmung im Ort und in der Facebook-Gruppe heraus br\u00fcstet sich die NPD damit, einen B\u00fcrger_innen-Entscheid herbeif\u00fchren zu wollen. Sie wei\u00df doch den rassistischen Mob hinter sich. So gelingt es der NPD die rassistischen Ressentiments der Schneeberger B\u00fcrger_innen zu bedienen und sich gleichzeitig als friedliebende, demokratische und besorgte B\u00fcrger_innen-Vereinigung zu inszenieren. Bislang scheinen Hartung und Illert dieses Bild auch aufrecht erhalten zu k\u00f6nnen, da sie ihre Fu\u00dftruppen, die aus ganz Sachsen nach Schneeberg reisen, ganz gut im b\u00fcrgernahen Griff haben. Die Frage ist allerdings: Wie lange noch? In der Zwischenzeit gr\u00fcndete sich bei Facebook eine weitere Gruppe, die, nach eigenem Bekunden, den Asylsuchenden im n\u00e4chsten Monat noch deutlicher zeigen will, dass sie in Schneeberg nicht toleriert werden.<\/p>\n

W\u00e4hrend der rassistische Protest immer weiter anw\u00e4chst, sich in seinen Protestformen sogar ausdifferenziert, stehen Lokalpolitik und -presse immer noch vor der Frage, warum sich niemand von der B\u00fcrgerinitiative abwendet, wo doch mittlerweile klar sein sollte, dass es sich um eine von der NPD organisierte Vereinigung handelt. Dabei reicht ein Blick in die j\u00fcngere deutsche Geschichte im Allgemeinen und in die der Stadt Schneeberg im Besonderen um zu erkennen, dass es noch nie der Hilfe rechter Parteien bedurfte um gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Wort und Tat sich Bahn brechen zu lassen. Bereits im Jahr 2010, als die \u201cJ\u00e4gerkaserne\u201d schon einmal zeitweilig als Lager f\u00fcr Gefl\u00fcchtete aus Mazedonien diente, formierte sich rasch Widerstand auf breiter Front: \u201cBesorgte B\u00fcrger_innen\u201d, Nazis und NPD sowie der damalige wie heutige CDU-B\u00fcrgermeister Schneebergs, Frieder Stimpel, standen schon damals Seite an Seite gegen die Asylsuchenden. Stimpel, der heute aus Angst um den Ruf seiner Stadt zu Besonnenheit und Menschlichkeit mahnt, warnte damals vor steigender Kriminalit\u00e4t und finanziellen Sch\u00e4den f\u00fcr den Wirtschaftsstandort Schneeberg. Ganz so, wie es heute Hartung und Konsorten tun.<\/p>\n

Doch auch wenn die Situation in Schneeberg, in der Gr\u00f6\u00dfe des Fackelmarsches und in ihrer N\u00e4he zu offensichtlichen Nazis, eine besondere ist: Schneeberg ist kein Einzelfall. Nachdem in Deutschland die Aufnahmekapazit\u00e4ten f\u00fcr Asylsuchende, basierend auf dem damaligen Tiefststand von 2007, drastisch reduziert worden sind, er\u00f6ffneten in der vergangenen Zeit vermehrt neue oder schon einmal genutzte Unterk\u00fcnfte f\u00fcr Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen wollen. Dieser Umstand l\u00f6ste in vielen Bereichen eine, an die 1990er Jahre erinnernde, \u201cDas Boot ist voll\u201d-Rhetorik aus. In diesem Moment des bisher latenten, aber jetzt offen zu Tage tretenden Rassismus, sind sich NPD und andere Rassist_innen an vielen Orten einig. Ihre Strategie ist dabei stets dieselbe. Unter dem, mehr oder weniger gut zur Tarnung geeigneten, Deckmantel einer B\u00fcrgerinitiative machen Nazis gegen eine Asylunterkunft mobil und bedienen im Internet und bei B\u00fcrgerversammlungen die Ressentiments derer, die sich bis dahin dem gesellschaftlichen Tabu allzu offener Menschenfeindlichkeit unterworfen haben. Gegenargumente und Rufe zur Besonnenheit werden dann, mit dem Verweis auf \u201cVolkes Stimme\u201d, niedergeschrien, und als L\u00f6sung des Problems wird, wie in Rackwitz oder Berlin-Hellersdorf, schon mal das Niederbrennen der betreffenden Geb\u00e4ude angeboten.<\/p>\n

Diese Proteste sind, in all ihrer Widerw\u00e4rtigkeit, leider nur die Spitze des sprichw\u00f6rtlichen Eisbergs. Der strukturelle und institutionelle, der allt\u00e4gliche Rassismus, der die Praxis der sogenannten Ausl\u00e4nderbeh\u00f6rden bestimmt, ist die Grundlage f\u00fcr das, was in Greiz, in Luckenwalde, in Essen, was gerade \u00fcberall in Deutschland geschieht. Menschen, die in Deutschland um Asyl bitten, werden in alte Schulen, verlassene Kasernen, an entlegene Orte geschafft. Mit Unterk\u00fcnften, die Gef\u00e4ngnissen gleichen, wird klar gemacht, dass man hier alles andere als willkommen ist. Dass sich die autochthone Bev\u00f6lkerung, mit ihrem kleinst\u00e4dtischen Charakter in Kopf und Vorgarten, gegen diese Menschen wendet, ist dabei vielleicht gew\u00fcnschter, mindestens aber geduldeter Nebeneffekt. Alternative Konzepte wie die dezentrale Unterbringung oder gar ein selbstbestimmtes Wohnen schon w\u00e4hrend des Asylverfahrens kommen so selten oder nie zur Anwendung. Zu gro\u00df scheint die Gefahr, dass sich andere Menschen mit den Gefl\u00fcchteten anfreunden, ihnen Rechtsbeistand verschaffen, versuchen ihnen ein gutes Leben zu erm\u00f6glichen, kurz sich mit ihnen solidarisch zeigen.<\/p>\n

In der Gesamtheit der Vorg\u00e4nge, die sich gegen Asylsuchendenheime richten, zeigt sich ein unverkennbares Bedrohungspotential. Ob als Brandanschlag, als Demonstration und Fackelmarsch, oder in Form von Politiker_innen, die von Kapazit\u00e4tsgrenzen und unzumutbaren Belastungen reden: \u00dcberall da wo sich ein Anlass bietet, bricht sich im Jahr 2013 die h\u00e4ssliche Fratze des Rassismus bahn. Und angesichts der Menge und der Artikulationsformen kommen wir kaum umhin, Parallelen zu den 1990er Jahren der Nachwendezeit zu ziehen, als anf\u00e4ngliche Proteste sich zu einem Fl\u00e4chenbrand entwickelten und schlie\u00dflich in den Pogromen und t\u00f6dlichen Brandanschl\u00e4gen von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Solingen, M\u00f6lln, Leipzig und all den anderen St\u00e4dten m\u00fcndeten. Und deren Ergebnis die faktische Abschaffung des Asylrechts war. Ganz \u00e4hnlich dem, was gerade zu bef\u00fcrchten ist, wenn Sachsens Innenminister Markus Ulbig, als Reaktion auf die rassistischen Proteste, sich f\u00fcr eine restriktivere Handhabung des Asylverfahrens stark macht, und sich damit wieder einmal dem Druck der Stra\u00dfe beugt.<\/p>\n

So wichtig es ist, in Schneeberg ein deutliches und konsequentes Zeichen gegen den rassistischen Mob zu setzen, um zu verhindern, dass das Schneeberger Beispiel Schule macht und sich die aktuelle Situation endg\u00fcltig zu einem Fl\u00e4chenbrand entwickelt: Wir d\u00fcrfen dabei nicht stehen bleiben! Unser Kampf muss all jenen gelten, die \u2013 ob in den Amtsstuben mit dem Stempel oder auf der Stra\u00dfe mit der Fackel in der Hand \u2013 den Einzelnen ihre Chance auf ein gutes Leben verweigern wollen. Aus diesem Grund rufen wir f\u00fcr Samstag, den 16. November 2013 zu einer bundesweiten Demonstration nach Schneeberg auf. Um uns dem rassistischen Mob in den Weg zu stellen. Und um deutlich zu machen, dass wir einer weiteren Versch\u00e4rfung des Asylrechts nicht tatenlos zusehen werden.<\/p>\n

Deshalb fordern wir selbstbestimmtes Wohnen f\u00fcr Asylsuchende und ein Bleiberecht f\u00fcr Alle! Die bundesweite Abschaffung der Residenzpflicht, des Arbeitsverbots und des Gutscheinzwangs. Ein Ende der Kriminalisierung von Antirassist_innen und der Solidarit\u00e4tsarbeit. Eine deutliches Zeichen der Solidarit\u00e4t mit allen Gefl\u00fcchteten und Schluss mit der rassistischen Hetze!<\/p>\n

Bundesweite Demonstration
\nSamstag, 16.11.2013, 15:00 Uhr
\nKobaltstra\u00dfe Ecke Karlsbader Stra\u00dfe
\nSchneeberg\/ Sachsen<\/b><\/p>\n

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Selbstverst\u00e4ndlich gibt’s dieses mal auch wieder die M\u00f6glichkeit, sich einen Platz im Bus zu ergattern! Es w\u00e4re jedoch sch\u00f6n, wenn ihr euch schnellstm\u00f6glich Tickets besorgt – um “notfalls” noch einen weiteren Bus organisieren zu k\u00f6nnen. Diese gibt’s wie immer im VVK f\u00fcr 7\u20ac im El Libro<\/strong>, der Vleischerei<\/strong> und dem Lazy Dog<\/strong>.<\/p>\n

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Bereits zum zweiten mal in Folge zogen am 2. November 2013 tausende Menschen durch die s\u00e4chsische Stadt Schneeberg, um mit einem Fackelmarsch, den sie \u201cLichtellauf\u201d nennen, gegen ein Erstaufnahmelager f\u00fcr Asylsuchende vor den Toren der Stadt zu demonstrieren. Angemeldet und organisiert wurde der Aufmarsch, wie bereits zuvor, von lokalen NPD-Kadern, um die Nazis Stefan Hartung […]<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":1716,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[13],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/1715"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=1715"}],"version-history":[{"count":5,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/1715\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":1721,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/1715\/revisions\/1721"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/media\/1716"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=1715"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=1715"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.unwritten-future.org\/index.php\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=1715"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}