Podiumsdiskussion: Deutschland, nichts als ein kapitalistischer Staat? Zur Bedeutung der Nationalismuskritik heute

Anfang der 90er wurde von großen Teilen der radikalen Linken vor einem gesellschaftlichen Roll-Back hinter bürgerliche Standards bzw. der Gefahr eines 4. Reichs gewarnt. Demnach gäbe es in Deutschland bestehende Kontinuitäten des Nationalsozialismus, allen voran die Ideologie von Volksgemeinschaft und Antisemitismus, welche zunächst bekämpft werden müsse. Heute scheint der deutsche Nationalismus durch den Prozess einer Modernisierung gegangen zu sein. Für einige war die Modernisierung Grund sich von einer generellen Kritik der Nation zu verabschieden und nunmehr ihr Augenmerk auf den globalen Antisemitismus, “den Islam” und/oder der globalisierungskritischen Linken zu richten. Aber ist die Konsequenz daraus, dass das moderne Deutschland nicht mehr unmittelbar in die Barbarei des NS umzuschlagen droht, sich auch von jeder Kritik an Staat und Kapital bzw. Bewegungslinken zu verabschieden? Hat sich zwischen Rostock Lichtenhagen und der Fußball WM 2006 der Männer eine “Normalisierung” vollzogen? Für Teile der radikalen Linken war diese offensichtlich und somit Anlass, den deutschen Nationalismus nur noch als Ausdruck der unmittelbaren Interessen der Staatsbürger_innen als Angehörige der Volkswirtschaft zu deuten. Ihre Kritik am Nationalismus gründet nur noch in der Kritik der kapitalistischen Verhältnisse, die notwendig nationalstaatlich organisiert seien. Nach dieser Sichtweise hat sich eine spezifische Kritik an Deutschland erübrigt. In diesem Rahmen zeigt sich auch eine Affinität zu Großdemonstrationen mit anderen – zum Teil auch latent antisemitischen – Gruppierungen. Birgt dieser Bewegungscharakter die Gefahr einer negativen Aufhebung in sich, oder ist er Voraussetzung für die Wirkmächtigkeit emanzipatorischer Politik?

Eine Veranstaltung der Gruppe Projekt Emanzipation

Teilnehmener_innen auf dem Podium: Autonome Antifa [f] Frankfurt; Antifa Freiberg; Projekt Emanzipation (LE); Hannes G.

Ort: Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Grimmaische Str. 12, Seminarraum 1

Beginn: 18 Uhr