Kampagnenaufruf des Ladenschlussbündnisses 2018

Zusammen mit anderen Gruppen und Aktiven unterstützen wir das Leipziger Ladenschlussbündnis, das sich in diesem Jahr neu gegründet hat. Das Ladenschlussbündnis will Nazi-Strukturen, reaktionäre Banden und rechte Netzwerke in Leipzig bekämpfen. Die neue Kampagne des Bündnisses richtet sich gegen das Nazi-Trainingszentrum in der Kamenzer Straße. Wir teilen an dieser Stelle den Kampagnenaufruf 2018, den wir ausdrücklich unterstützen.

Antifaschistische Kämpfe in die Offensive!

Das Leipziger Ladenschlussbündnis bekämpft neonazistische Strukturen, rechte Netzwerke und den dazugehörigen Lifestyle in Leipzig. Unser Ziel ist, aktiv und offensiv allen Bestrebungen entgegen zu treten, die sich über ein rassistisches, nationalistisches, antisemitisches, männlichkeitsbetontes, frauenfeindliches und autoritäres Weltbild bestimmen. Beim Kampf gegen den gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck dürfen wir nicht vergessen, dass das Problem von gewaltbereiten Neonazi-Strukturen alles andere als geringer wird. Diese Strukturen und Netzwerke zu zerschlagen, bleibt mit unserem Engagement gegen nationale Abschottung, den sexistischen Rollback und für eine gesellschaftliche Emanzipation eng verbunden.

Reaktionäre Männer-Banden und die beschleunigte Welt des Kapitals

Ob in Hooligan-Strukturen ostdeutscher Traditionsvereine, in Freefight-Gyms, bei den Identitären oder in Neonazi-Gruppen: rechte Männer bleiben gern unter sich und versuchen sich als wehrhafte Verteidiger des Abendlandes zu inszenieren. Auch wenn das politische Agieren rechter Frauen nicht unterschätzt werden darf, muss der spezifisch sexistische und männerbündische Charakter der benannten Kreise betont werden. Die Schauplätze der Kampfsportszene und der Sicherheitsunternehmen, das Rotlichtmilieu, die Rockerszene, Bürgerwehren und das Militär sind alles zutiefst reaktionäre und von Grund auf patriarchale Zusammenhänge, die grundsätzlich die notwendigen Grundlagen für rechtsradikale Ideologie bieten.

Dabei sind Männer-Banden ein Produkt der kapitalistischen Gesellschaftsstruktur und ihrer Dynamiken. Im Zusammenspiel von Kapitalismus und Patriarchat werden Frauen strukturell aus den Sphäre der Produktion und der Öffentlichkeit in die der Reproduktion verdrängt. Daraus folgt das verbreitete Selbstverständnis des Mannes als Ernährer und Verteidiger „seiner“ Familie. Die gewaltaffine Männer-Bande knüpft an diese soziale Realität an zwei Punkten an. Einerseits bietet sie die Möglichkeit einer kollektiven patriarchalen Inszenierung der Verteidigung der Familie gegen äußere, meist mit rassistischen Kategorien abgewertete, Feinde. Andererseits bietet sie ein Auffangnetz gegen Krisen der eigenen patriarchale Lebenswelt. Ein Beispiel dafür, das uns direkt betrifft, sind die ostdeutschen Regionen, aus denen aufgrund ökonomischer Perspektivlosigkeit junge Frauen massenhaft wegziehen. Zurück bleiben Männer, die nicht in der Lage sind, selbstständig ihre Emotionen zu regulieren und soziale Beziehungen aufzubauen, weil diese Tätigkeiten im Patriarchat strukturell Frauen auferlegt werden. Der sozialen Kälte, die Kapitalismus und Patriarchat erzeugen, begegnen Männer-Banden nicht mit kollektiven, inklusiven Sozialstrukturen. Das individualisierte Hauen und Stechen der ökonomischen Konkurrenz kontern sie mit einer Kollektivierung des Freund-Feind-Denkens. Die Krise von Sozialstrukturen stellt dabei eine von verschiedenen Ursachen für die Entstehung reaktionärer Banden dar. Keineswegs ist sie eine Rechtfertigung für diese.

So stehen wir für eine gesellschaftliche Perspektive jenseits von individualisierter Konkurrenz und irrational begründeten Kollektiven ein. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Reproduktion, Produktion und öffentliche Institutionen basisdemokratisch verwaltet werden. Wir stehen dafür ein, dass die Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen nicht von Besitz, Geschlecht oder rassistischen Zuschreibungen abhängig gemacht wird.

Der Rechtsruck und die Nazis

Seit dem „Summer of Migration“ 2015 haben sich die gesellschaftlichen Verhältnisse zugespitzt. Rassistische und faschistische Bewegungen entstanden in beinahe jedem Ort. Mit der AfD sitzt eine rassistische und sexistische Partei in fast allen Parlamenten, die sinnbildlich für den gesellschaftlichen Rechtsruck steht. Teils gewalttätige Proteste gegen Unterbringungen für Geflüchtete aus der gesellschaftlichen Mitte und die Aufmärsche der Pegida-Bewegung trugen massiv zur Politik der verschärften nationalen Abschottung bei, die die schwarz-rote Bundesregierung seit über zwei Jahren verfolgt.

Im Rahmen rassistischer Pogrome und Demos radikalisierten sich gewalttätige Gruppen, wie die Terrorvereinigung „Gruppe Freital“ oder die „Freie Kameradschaft Dresden“. In Leipzig waren Verbindungen von Nazi-Hooligans, rechten Sicherheitsfirmen, Jurist_innen und ex-Söldnern zu beobachten. Die Unterscheidung zwischen vermeintlichen „Rechtspopulist_innen“ und bekennenden Nazis weichen immer weiter auf. Je erfolgreicher die AfD bei Wahlen ist, desto weniger hält sie es für nötig, sich von eindeutigen Faschist_innen und Nazis zu abzugrenzen. Wenn Alexander Gauland kurz vor der Bundestagswahl verlautbart, Deutsche sollten wieder „stolz auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen sein“, dann präsentiert sich die AfD damit auch als parlamentarischer Arm von rechten Schlägern, Nazis und Faschist_innen. Den Rechtsruck zu sabotieren, bedeutet auch, die Verbindungen zwischen AfD und offenen Nazis aufzuzeigen und beide strukturell und nachhaltig zu bekämpfen.

Erste Etappe: Kamenzer Straße 10/12

In den Fokus rückten rechte Netzwerke in Leipzig vor allem am 11. Januar 2016, beim Nazi-Überfall auf Connewitz. Unter den Täter_innen waren, altbekannte Neonazi-Akteure aus dem Leipziger Umland, Protagonisten der rechten Lok-Fanszene, der Geschäftsführer eines Leipziger Sicherheitsunternehmens und drei Kämpfer des „Imperium Fight Team“. Als Drahtzieher der Aktion gilt unter Anderem der Trainer des “Imperiam Fight Team” Benjamin Brinsa, Lok-Fan, Neonazi und Geschäftsmann.

Das wiederbelebte Ladenschlussbündnis möchte den Strukturen noch tiefer auf den Grund gehen und deren Zusammenhänge aufarbeiten. Im Fokus soll dabei zuerst der Häuserkomplex in der Kamenzer Straße 10/12 stehen. Das Objekt im Leipziger Nordosten fungierte vor allem 2008/09 als Veranstaltungsort für Nazikonzerte. Dies wurde seinerzeit von Stadt und Polizei mittels bauordnungsrechtlicher Auflagen eingeschränkt. Nichts desto trotz fanden im Objekt seitdem immer wieder punktuell neonazistische Konzerte und Parties statt. Der letzte Versuch am 13. Januar 2018 wurde von der Polizei unterbunden.

Seit 2017 ist die Kamenzer Straße 10 Trainingsort des „Imperim Fight Team“ von Benjamin Brinsa. Ein Kampfsport-Gym, dass sich aus den Hooligan-Strukturen von Lok Leipzig und aus rechten Aktivist_innen der Region aktiviert. Auf dem stattlichen Areal im Leipziger Nordosten ist zudem auch der Motorradclub „Rowdys Eastside“ ansässig. Der seit 2015 bestehende Motorradclub firmiert auch als “Bruderschaft 18” – ein Kürzel für die Initialen Adolf Hitlers –, die ungefähr zehn Mitglieder sind neonazistische Fußballfans des 1. FC Lokomotive Leipzig. Sieben Angreifer aus Connewitz werden dem Motorradclub zugeordnet. Weiterhin fungiert das Objekt als Postadresse und mutmaßlicher Lagerort für diverse Gewerbe. Das Areal gehört seit 2007 Ludwig K., der seit Jahrzehnten Verbindungen in die Neonazi-Szene unterhält.

Ehemals KZ-Außenlager – heute Trainingsort für Neonazis

Außer einer kleinen Erinnerungstafel erinnert heute nichts mehr an die Geschichte des zweistöckigen Gebäudes in der Kamenzer 12 und des angrenzenden Areals. Hier befand sich zwischen Sommer 1944 und April 1945 das größte Frauenaußenlager des KZ Buchenwald. In dem mit Stacheldraht umzäunten und von SS-Wachmannschaften bewachten Außenlager „HASAG Leipzig“ waren über 5000 Frauen und Mädchen inhaftiert. Der Großteil von ihnen waren „politische“ und „jüdische“ Polinnen.
Die Häftlinge mussten jeden Tag in 12-stündigen Tag- und Nachtschichten unter schwersten Bedingungen Munition, Granaten und Panzerfäuste für den Rüstungskonzern Hugo-Schneider-AG (HASAG) produzieren. Untergebracht waren sie in einem ehemaligen Werksgebäude der HASAG. Dabei handelt es sich um jenes Gebäude, das heute unter der Adresse Kamenzer Str. 12 zu finden ist. Zur Unterbringung der Häftlinge hatte die HASAG dieses Gebäude in 23 sogenannte Blöcke unterteilt. In jedem Block waren mehrere hunderte Frauen und Mädchen zusammengepfercht. Sie litten an Hunger, Krankheiten, Erschöpfung und unter der Gewalt der SS und deutscher Betriebsangehöriger, der sie im Lager und bei der Arbeit ausgesetzt waren.

Am 3. Mai 2009 fand vor dem Objekt eine Gedenkveranstaltung statt. In diesem Rahmen sprach nicht nur Esther Bejarano, Überlebende der KZ Auschwitz und Ravensbrück, auch wurde vor Ort ein Gedenkzeichen installiert. Seit seiner Installation wurde die Gedenktafel nunmehr sechsmal zerstört, zuletzt im Januar 2017. Am 27.1.2017 wurde sie wieder errichtet.

Rechte Netzwerke zerschlagen – emanzipatorische Kämpfe verbinden!

Das Ladenschlussbündnis will reaktionäre, sexistische, rassistische und neonazistische Strukturen in Leipzig nachhaltig schwächen. Wir wollen den Rechten ihre Infrastruktur und ihre Handlungsräume entziehen. Dabei wollen wir mit einer Reihe an Akteur_innen gemeinsam agieren, die sich für eine freiere und gerechtere Gesellschaft ohne Ausgrenzung und Unterdrückung einsetzen. Wir wollen verschiedene Perspektiven verbinden und unsere Kämpfe gegen rechte Strukturen dafür nutzen, unsere Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen und linke Strukturen nachhaltig zu stärken.

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